Litfaßsäulen

in Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow


Die Litfaßsäule, einst ,,Zeitung des kleinen Mannes“, wurde im Jahre 2004, 150 Jahre alt. Heute gehört sie zu den Klassikern unter den Plakatwerbeträgern und wird doch von den meisten Menschen kaum noch wahrgenommen, vielleicht auch, weil sie schon seit über 70 Jahren so selbstverständlich zu unserem Ortsbild gehört, dass man sie einfach übersieht. So hatte der Ort Stahnsdorf im Jahre 2004 noch sechs Litfaßsäulen, Teltow drei und Kleinmachnow zehn dieser Werbeträger im Ortsbild seit Jahrzehnten zu stehen. Berlin hat dazu im Vergleich 4000 Litfaßsäulen im Stadtgebiet verteilt. Die Idee entwickelte sich seinerzeit zur Revolution in der Werbebranche, obwohl der Grundgedanke ein anderer war. Der Druckereibetreiber Ernst Litfaß wollte der damaligen Unsitte Einhalt gebieten, dass Hauswände, Zäune und Türen nach Belieben mit Zetteln beklebt wurden. So stellte Litfaß in Berlin den Antrag für die Gewährung eines Monopols für Plakatanschläge, damals noch ,,Annonciersäulen“ und runde ,,Stadtmöbel“ genannt. Am 1. Juli 1855 wurden die ersten 100 Annonchiersäulen und 50 Brunnenumhüllungen in einem feierlichen Festakt in Berlin enthüllt. Da sich Leute mit wenig Geld keine Zeitung leisten konnten, war nun die ,,Zeitung des kleinen Mannes“ geboren, denn nun konnte jeder Mensch auf der Straße amtliche Bekanntmachungen lesen und wo welche Massenvergnügen stattfinden würden. Der Siegeszug der Säule war so erfolgreich, dass das preußische Königshaus, Ernst Litfaß den Titel Königlicher Hofbuchdrucker verlieh. Mit dem plötzlichen Tod von Ernst Litfaß 1874 ging seine Erfolgsära zu Ende. Die Litfaßsäule hingegen war fortan sein Denkmal und startete durch zu einem Siegeszug in der Werbebranche. Zum Ersten Weltkrieg konnte man an den Säulen lesen, wann und wo es Lebensmittelmarken gab. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Litfaßsäulen die einzige noch vorhandene Informationsquelle, an denen die neue Militärregierung ihre ersten Bekanntmachungen veröffentlichte. Flüchtlinge und Ausgebombte nutzten diese Informationsquelle, Verwandte wiederzufinden oder als Aushang für allerlei Tauschgeschäfte in der Nachkriegszeit. Diese wurden später durch Wahlplakate ersetzt und heute sind größtenteils wieder Werbung und Hinweise auf Veranstaltungen an den Säulen zu lesen. Die Potsdamer Firma ,,autfit Außenwerbung GmbH. Potsdam“ ist nunmehr für den Plakatanschlag aller Litfaßsäulen in unserer Region zuständig, wobei die Zeiten der privaten Zettelkleberei in Lebensmittelmärkten und Baumärkten wieder in Mode kommt.



Das Alter der Litfaßsäulen in unserem Einzugsgebiet ist leider nicht mehr genau zu ermitteln. So gibt es einige Säulen aus der DDR- Zeit, erkennbar daran, dass sie aus Betonringen zusammengesetzt sind. Andere Säulen stammen aus den 30erJahren oder sie sind sogar noch älter. Interessant ist jedoch, dass die älteren Säulen in ihrer Konstruktion aus Guss oder Stahl eine kleine Tür besitzen, die allerdings durch die geklebten Plakate nicht sichtbar ist. So dauert es immer viele Jahre, bis so eine Litfaßsäule, geschält“ wird und ihr vermeintliches Geheimnis sichtbar wird. Was mag sich wohl hinter dieser versteckten Tür verbergen, werden Sie sich fragen? In dem alten weltberühmten Kriminalfilm von 1948 ,,Der dritte Mann“ von Carol Reed, der in Wien zur Nachkriegszeit spielt, verschwindet ein Mörder durch so eine Tür in der Litfaßsäule über eine Wendeltreppe in die Wiener Kanalisation. In der Realität gab es so etwas natürlich nicht, dies war eine Erfindung des Autors. Auch in der Großstadt Berlin haben die alten Litfaßsäulen verborgene Türen, allerdings keine Wendeltreppen die in den Untergrund führen. Ernüchternderweise wurde mir das von den Berliner Wasserbetrieben bestätigt. Ernüchternd auch als Ideenbeitrag zum Tag der offenen Tür-Kanalisation in Berlin, dieses als PR-Gag aufzunehmen war eine schöne Illusion. Und so verbergen die Türen der Litfaßsäulen in unserem Gebiet nur ihre verschraubte Konstruktion oder alte Stromkästen noch aus der DDR- Zeit beispielsweise in Potsdam. Das einzige Geheimnis der Säulen die in unseren Orten zu finden sind, wird wohl deren Alter sein und wenn man nicht mit offenen Augen nach ihnen Ausschau hält, auch deren Standorte.



Eine besondere Litfaßsäule, die älteste in unserer Region, stand in Stahnsdorf, Ecke Kastanienweg – Potsdamer Allee. Im Jahre 2010 gab es in dieser Straße umfangreiche Erdarbeiten u.a. auch der Bau einer neuen Abwasserleitung. Dabei stand diese alte Litfaßsäule aus Guss und mit versteckter Tür, Baujahr aus den 30er Jahren wohl im Weg. Neunzig Jahre und schon ein Denkmal der Werbegeschichte in Stahnsdorf, leider war diese Litfaßsäule nicht auf der Liste der technischen Denkmale aufgelistet. Schon zu DDR- Zeiten gab es engagierte Bürger, die diese Litfaßsäule vor der Verschrottung erfolgreich retteten. Bereits um 1970/80 sollte diese Säule aus dem Ortsbild verschwinden. Eine Debatte in der Gemeindevertretung beendete dieses Vorhaben.

Vielleich war es 2010 ja auch der gestiegene Schrottpreis, der zur Versuchung führte.


Nach dem letzten aktuellen Stand von 2004 stehen in Deutschland 17055 Litfaßsäulen, die in ihrer Bauart auch die vergangenen Epochen der Architekturgeschichte wiederspiegeln. So gibt es mittlerweile, sich um die eigene Achse drehende und m Dachkranz beleuchtete Säulen. Die Deutsche Post ehrte im Jahr 2004 den Erfinder der Säulen mit einer Sondermarke. Daher kann heute wohl jeder die beliebte Umfrage aus dem 19. Jahrhundert beantworten, die damals lautete: Welchem Mann sind in Berlin die meisten Denkmäler gewidmet.